Nix wert!

Wie eine sächsische „Mehr-Wert-Kampagne“ den Protest gegen die herrschenden Zustände ableitet…

so trällert’s neben anderen spannenden Sachen in der aktuellen Hausmeise… 


Wie bereits vor einiger Zeit beschrieben wurde, fand am 16.06.2010 in Dresden eine Demonstration des sächsischen Mehrwertbündnisses statt. Ähnlich dem bundesweiten, anlässlich der aktuellen gesellschaftlichen Auswirkungen der Wirtschaftkrise gegründeten, „Wir zahlen nicht für eure Krise“-Bündnis hat sich nun auch in Sachsen ein Zusammenschluss gegründet, welcher sich den aktuellen Kürzungen bzw. den weiteren geplanten Einschnitten u.a. in den Bereichen Bildung und Sozialarbeit entgegenzustellen versucht. Unter den Motto „Wir sind mehr wert. Wer heute kürzt, zahlt morgen drauf“ wurden diverse, je nach Betroffenengruppe passende Aufrufe geschmiedet, um die aufgewühlten Massen per Sonderzug und -bus gen Dresden zu verfrachten.
In mehreren Demonstrationszügen schritten ca. 10.000 Menschen durch die Stadt, um schließlich vor dem Landtag die Abschlusskundgebung und damit, je nach Demozug, die teilweise einzige inhaltliche Verlautbahrung anhören zu dürfen.
In dieser, für das selbst nach 20 Jahren demokratischer Freiheit schwerfällige Volk, beeindruckenden Zahl wogte mensch nun mehr oder minder euphorisiert auf die kommend anstehenden gesellschaftlichen Umwälzungen, hervorgerufen durch den Souverän Pöbel, in sommerlicher Atmosphäre über die Elbe und wieder zurück. Mit von der Partie waren – ja es gibt sie noch – attac, die technoisierte Antifa, die uniformierte Gewerkschaft der Polizei (GdP), die Gewerkschaft für Erziehung (sic!) und Wissenschaft (GEW), der deutsche Gewerkschaftsbund (DGB), diverse StudentInnenräte sächsischer Unis, eine ganze Menge politisch motivierter Studierender, aufgebrachte Eltern und SchülerInnen, LehrerInnen, SozialpädagogInnen, die dank halber und viertel Stellen sowieso immer Zeit haben, demokratische Parteien inklusive ihrer Jugendverbände mit Fahnen für alle, die stalinistische Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD), der Frauenverband Courage, der trommelnde und trommelnde „pink and silver“-Block und Olaf Schubert mit Olaf TV, der wohl glücklicherweise mehr Medieninteresse auf sich zog als diverse Pappschildchen mit Schmähungen gegen Banker und „die da oben“. Außerdem gab’s auch einige Leute mit ’ner Israelflagge, welche andere wiederum zur ihrer wohl einzigen politischen Äußerung an diesem Tage verlitt: „Wenn mann schon eine Flagge mitnehmen muss, dann jedenfalls nicht die von Israel“. Passend zu derlei Irrsinn, Leute mit Deutschlandtröten und -flaggen, ebenso vereinzelte Teilnehmende mit Thor Steinar T-Shirts und zu guter Letzt auf der Abschlusskundgebung, sonst wär’s doch nicht recht sächsisch, die NPD für Deutschland und auch gegen „die da oben“. Protest hiergegen wurde allerdings teils recht rüge von den nicht mit der GdP spazierenden KollegInnen geplättet.
Das hätte so einfach natürlich nicht passieren dürfen, gab es doch Berge von Lunchpaketen, an welchen sich vor allem Menschen satt essen konnten, welchen der Verzehr von Fleisch noch nicht unter undemokratisches Handeln fällt. Abgesehen davon beinhalteten diese Pakete viele, viele Äpfel, eine tolle Idee zur Stärkung bei kommenden Protesten. Das allgemeine Wandertagsflair störten nur übermotivierte OrdnerInnen, welche, zutiefst auf politische Änderungen fixiert, für alle deutliche Parolen wie „nicht den Gehweg versperren“ oder „schön in der Demo mitlaufen“ parat hatten.
Dies nun sind also das „Wir“, welches sich zu einer breiten sächsischen Protestmasse generiert und, „Reform“ denkend, den gesellschaftlichen Wandel anstrebt. So ist es also möglich, dass PolizistInnen, AntifaschistInnen, AnhängerInnen diverser politischer Theoriechen und Organisationen, IsraelfeindInnen und Deutschtümelnde Seit‘ an Seit‘ über die Alleen der sozialen Kälte strömen, um einiges und zwar vorerst einmal sich in Bewegung zu setzen. Alle eint ein diffuses Gefühl der Benachteilgung und Ungerechtigkeit sowie der grobe Drang, sozial-politisch Einfluss nehmen zu wollen.
Wie dieser Einfluss aussehen soll, schilderen dann Menschen wie der erste Referent Juri. In seinem Beitrag, angelehnt an die „I have a dream“-Rede Martin Luther Kings, konnte mensch u.a. folgende Dinge vernehmen: „Ich habe einen Traum, dass polnische Frauen nicht mehr mit ihren Muschis auf unseren Motorhauben herum rutschen(..).“ „Ich habe einen Traum, dass die NPD nach Südafrika in ein Arbeitslager gesteckt wird und den ganzen Tag die armen braunen Menschen vor der Nase hat(..).“ „(…)dass die homophoben Arschlöcher in die Schwulenghettos gehen und dort mit erhobener Hand den Schwarzen einen blasen müssen(…).“ „Ich habe einen Traum, dass meine Freundin ohne zu meckern das Essen für mich kocht und endlich begreift, dass Männer die Zahnpastatuben nicht zumachen können(…).“
Derlei sexistischen, rassistischen Auslassungen jubelte die Sozialprotestmenge unverholen zu. Unklar bleibt, wieso der vortragende von den VeranstalterInnen eingeladen wurde. Eine Stellungnahme zu den Inhalten blieb jedenfalls aus. Im Anschluss wurde von einigen Teilnehmenden dann doch Unbehagen geäußert[1]. Der Großteil der ZuhörerInnen ließ sich allerdings die Volksfeststimmung nicht verderben, vielleicht kamen jene ja hierdurch gerade erst so recht in Feierlaune. Die den Platz flankierenden Bratwurststände dürften ihr Übriges getan haben. 
Die weiteren Redebeiträge befassten sich im Großen und Ganzen mit der Krise und deren scheinbaren Hintergründen. Leider kam die vorherrschende Analyse nicht darüber hinaus, die Probleme am Finanzmarkt, der „Gier“ einiger ominöser Banker und die damit einhergehenden sozialstaatlichen Einschnitte „volksfernen“ KlientelpolitikerInnen anzulasten. Dass die derzeitige Krise nicht mit dem ethischen Versagen einiger Personen, sondern mit dem wirtschaftlichen und politischen System an sich zu tun hat, auf diesen Gedanken kamen die tausenden MoralistInnen in Dresden scheinbar, abgesehen von einigen oben benannten Kleinstgruppen, deren Analyse trotz allem fraglich erscheint, nicht.
Weder begreifen sich die ProtagonistInnen des Bündnisses noch deren Gefolgschaft als Teil des von ihnen kritisierten Systems. Sie begreifen sich nicht als Teile des kapitalistischen Verwertungsprozesses sondern sehen soziale Unannehmlichkeiten immer nur von einigen wenigen auf sie als Betroffene übergestülpt. Dass jene Kritisierten genau wie die ProtestlerInnen nicht Subjekt sondern nur Objekt in diesem Prozess sein können, solange sie diesen nicht in Gänze auflösen, dahin langen die Inhalte des Bündnisses nicht.
Dass die in der zentraleuropäischen BRD Lebenden mehrheitlich weiße Menschen sind und damit weiteren Dominanzstrukturen angehören, wird in dem Bündnis nicht reflektiert. Obwohl, ausgenommen von den Angehörigen der GdP, gerade im sozialen und kulturellen Bereich viele Frauen von den Kürzungen betroffen sein dürften, sprachen auf der Bühne nur „männliche“ Menschen. Es bleibt zu fragen, ob das Bündnis diese Probleme nicht wahrnimmt oder ob bewusst auf Sprecherinnen verzichtet wurde, um die mutmaßlich wahrgenommene Kompetenz der Predigenden beim Publikum zu verbessern. So wie sich das Bild aktuell darstellt, gibt mensch wenig auf gelaufene feministische Debatten. Macht bzw. in diesem Fall kompetente Ohnmacht im öffentlichen Raum ist weiterhin männlich konnotiert. Dass in den Bündnisaufrufen eine geschlechtssensible Sprache verwendet wurde, kann diese Misskonstruktion in den Auftritten des Bündnisses nicht auflösen.
Die weitere Rhetorik in Dresden zeigte, dass auch andere Ausschlusspraxen nicht mitgedacht sondern eher noch befördert werden. O-Ton: „WIR zahlen in UNSERER Krise noch für ANDERE, wie Griechenland.“ Solidarität bleibt hier wieder national, nicht begreifend, wieso es den Menschen hier doch zu gute kam, dass Griechenland eben nicht bankrott ist. Zugleich wird der „Protest“ aufgeladen mit rassistischen Stereotypen der „faulen, ausschweifend lebenden Menschen aus dem Süden“, welche ihre Wirtschaft und Finanzen nicht selbst in den Griff bekommen. Dass diese zwar ebenfalls Betroffene einer internationalen Wirtschaftskrise – typisch für die gegenwärtige Bezugnahme ist der Begriff „Bankenkrise“, welcher so tut, als sei der Finanzsektor etwas der Wirtschaft außenstehendes – sind, wird nur insofern zur Kenntnis genommen, als dass „Heuschrecken“ auf dem Finanzmarkt über die griechische Stabilität spekulieren. Abgesehen davon, dass Spekulation nie als das gesehen wird, was sie ist, nämlich konstitutives Merkmal der konkurrierenden Teilnahme an der Warenzirkulation, sondern meist ausschließlich dem Finanzsektor zugeordnet und damit in den meisten Fällen mindestens strukturell antisemitisch aufgeladen wird, zieht sich die internationale Anteilnahme auf das Kredo zurück: „WIR sind ja auch betroffen“. Solidarität wird nach der räumlichen Herkunft chiffriert, in der föderalen Bundesrepublik am liebsten noch regional.
Was will die Kampagne nun, die sich „WIR sind mehr wert“ auf die Fahnen schreibt?
Im Bezug auf das nachkommende Heer an ArbeiterInnen schreibt sie, dass deren Möglichkeiten auf Bildung und Zukunft durch Kürzungen auf’s Spiel gesetzt würden und meint, „Ihre Chancen sind mehr wert!“. Ganz im Sinne guter StaatsbürgerInnen bedient mensch sich des Bildes der Chancengleichheit, um seinen Willen nach Veränderung zu bekunden. Nun bedeutet Chancengleichheit aber eben nicht, dass allen Menschen die Möglichkeit gegeben werden soll, ihr Leben mit dem größtmöglichen Maß an Freiheit und Glück auszugestalten. Chancengleichheit bedeutet ausschließlich die Möglichkeit zu bekommen, sich möglichst gut in das Bestehende einpassen zu dürfen. Dies impliziert einerseits, dass auch geahndet werden kann und soll, wer sich eben dieser Chancen nicht bedient und sein Leben nicht im Warentauschprozess fristen will. Außerdem suggeriert der Begriff, es könnte im kapitalistischen System eine Gleichheit zwischen den Menschen geben. Um diese aber nicht auf strukturelle Voraussetzungen beziehen zu müssen, wird Gleichheit individualisiert und als Chance – die also auch verpasst werden kann – in die Hände der Einzelnen gelegt und damit die Verantwortung, sein Leben möglichst gut bestreiten zu können. Chancen sind damit eine hohle Phrase und daher auch nichts wert. Dass die zukünftigen ArbeiterInnen in ihrer doppelten Freiheit Mut aufbringen werden, sich ihres eigenen Verstandes zu bedienen, ist zwar letztendlich möglich, aber nicht wahrscheinlich. Hierfür wäre eine Bildung notwendig, welche nicht an DozentInnen und Lernbedingungen gemessen werden kann, sondern in ihrer Tiefe und emanzipatorischen Praxis. Die Bildung, welche im Aufruf angesprochen wird ist nichts mehr als Ausbildung und der Streit für eine bessere Ausbildung ist einzig die Forderung sich adäquater in die kapitalistischen Arbeitsverhältnisse eingliedern zu lassen. Dies ist nicht mehr wert, dies produziert ihn letztlich nur.
Damit gelangt mensch zur zweiten These: „Ihre Arbeit ist mehr wert“. Dies meint erst mal nichts anderes, als dass es nur gerecht wäre, erstens ausreichend für seine geleistete Arbeit entlohnt zu werden und dass es zweitens möglichst vielen Menschen ermöglicht werden sollte, wirtschaftlich bestehen zu können, also einen Arbeitsplatz zu haben. Die Aussage, welche getroffen wird, ist aber falsch, da sie doch suggeriert, die/der ArbeiterIn hätte einen Anspruch auf den Gewinn, welcher beim Tausch ihres Arbeitsproduktes, sei es auch eine Dienstleistung, entsteht. Diese Sichtweise vernachlässigt, dass das Unternehmen, für welches sie arbeiten, mit ihrem Lohn bzw. Gehalt, welches sie beziehen, nicht ihr Arbeitsprodukt kauft, sondern ihre Arbeitskraft. Mit dem Verkauf ihrer Arbeitskraft und der damit einhergehenden Aufwertung einer Ware, nämlich jener, welche sie bearbeiten, ist ihr Tauschprozess mit dem Unternehmen bereits abgeschlossen. Was mit dem entstandenen Produkt weiter passiert, darüber zu entscheiden hat die/der ArbeiterIn kein Recht mehr.
Der Aufruf will, abgesehen hiervon, mehr und immer weiter Arbeit für die Betroffenen. Nun sei es dahin gestellt, ob es in der sozialen Sorge um die Gesellschaft nicht auch immer viele Aufgaben zu bewältigen gibt. Die Frage hier stellt sich aber, ob diese Aufgaben nur in Form von Lohnarbeit o.ä. bestritten werden könnten. Lohnarbeit ist nur denkbar in den bestehenden kapitalistischen Verhältnissen und genau diese bedingen aber die sozialen Probleme der Bündnismitglieder und -symphatisantInnen. Diese gälte es also zu ändern.
Dass das Bündnis die herrschenden Verhältnisse aber genauso wenig ändern mag, wie die Farbe ihrer Fähnchen, zeigt die dritte These: „WIR sind mehr wert! Wer heute kürzt, zahlt morgen drauf!“ Hergeleitet aus den vorhergehenden Auslassungen wird gemutmaßt, dass es durch die aktuellen und geplanten Kürzungen zu „weniger Bildung, weniger Sozialarbeit, weniger Kultur, aber mehr Arbeitslosigkeit, mehr Kriminalität und mehr Rechtsextremismus“ kommt. Es soll hier nicht abgeleitet werden, wieso die oben genannten Kausalitäten zu kurz greifen und in welchem Umfang diese Phänomene von der kapitalistischen Gesellschaft auch strukturell bedingt werden. Allein, dass die aktuelle Politik mehr Arbeitslose produziere, ist aus zwei Gründen die falsche Problematisierung. Erstens ist nicht ausgeschlossen, dass diese, an den heutigen Maßstäben gemessen, potentiell weniger gut ausgebildeten und weniger sozialpädagogisch betreuten Menschen adäquat in den Prozess der mehrwertbildenden Verausgabung ihrer Arbeitskraft überführt werden könnten. Wolfgang Schäuble meinte hierzu bspw. „Wir verstärken die Anreize für die, die keine reguläre Beschäftigung ausüben“. Diese Verstärkung findet mit den Kürzungen aktuell gerade statt. Zweitens sollte immer auch bedacht werden, dass eine gewisse „Reservearmee“ an ArbeiterInnen immer notwendig ist, um bei Änderungen im gesamten Produktionsprozess zur Stelle sein zu können und damit kapitalistische Normalität darstellt. Gleichzeitig, und dies zeigt sich jeden Tag in öffentlichen, politischen Verlautbarungen, werden eben diese als Drohpotential benötigt, bei der Aushandlung des Wertes der Arbeitskraft. Arbeitslosigkeit und Krisenbildung sind eben keine Entgleisungen des Kapitalismus, sondern ebenfalls ureigenste Merkmale dieser Produktionsweise.
Das Bündnis zeichnet sich politisch nur durch seinen Protestcharakter gegen die ungleiche Verteilung der Kürzungen aus. Die Situation der Krise wird sich durch diesen Protest jedoch kaum ändern. Um politisch Druck zu erzeugen, müsste das Bündnis klare Forderungen formulieren, die sich nicht auf den Status Quo beziehen, sondern diesen in Frage stellen und abschaffen wollen.
Die Rote Hochschulgruppe fordert eine umfassende Analyse und Kritik der Verhältnisse im Kapitalismus, welche die diskriminierenden Strukturen, welche in diesem hervorgebracht und immer wieder reproduziert werden, mitdenkt und angreift.
Der Wert von Bildung, die in Schulen, Universitäten oder von sozialer Arbeit geleistet wird, liegt nicht in der Anreicherung von Humankapital, sondern in der Entwicklung von Menschen zu kritisch emanzipatorischen Individuen. Eine Bewegung die hinter diese Ziele und die ihr vorausgehende, grundlegende Problembeschreibung zurück geht, bleibt der falschen Analysedimension verhaftet und kann daher nur still stehen, verdient also ihren Namen nicht.

 

[1] http://data.thehooks.de/MehrWert/?page_id=233 (27.06.2010) 

 

Dresdner Impressionen

 

                                      

 

                               

 

                                      

 

                            

 

folgender Kommentar erreichte uns per Mail:

 

Meine Anmerkung betrifft folgende
Textabschnitt von "Nix wert!" (gelesen im Hausmeister) und
kommentiert diesen:

"Weder begreifen sich die
ProtagonistInnen des Bündnisses noch deren Gefolgschaft als Teil des
von ihnen kritisierten Systems. Sie begreifen sich nicht als Teile
des kapitalistischen Verwertungsprozesses sondern sehen soziale
Unannehmlichkeiten immer nur von einigen wenigen auf sie als
Betroffene übergestülpt. Dass jene Kritisierten genau wie die
ProtestlerInnen nicht Subjekt sondern nur Objekt in diesem Prozess
sein können, solange sie diesen nicht in Gänze auflösen, dahin
langen die Inhalte des Bündnisses nicht."

Ich halte das schon für eine sehr
merkwürdige Vorstellung von Gesellschaft, in der weder die
"Kritisierten" noch die "ProtestlerInnen"
Subjekte, sondern nur Objekte sind. Niemand, der Lohnkürzungen
beschliesst, niemand, der diese Abwenden will. Niemand, der Gesetze

macht, niemand, der über sie richtet,
niemand, der sie mit Waffen zur Geltung bringt. Ist es da nicht
widersprüchlich, im Nebensatz die Möglichkeit offen zu halten, dass
SIE diesen Prozess auflösen

könnten?

Viel einleuchtender scheint mir dagegen
die Vorstellung, dass erstmal jeder Mensch in dieser Gesellschaft
Subjekt, also handelndes Individuum ist und – wie marginal auch immer
– Einfluss auf den Gang der Dinge hat. Schon klar, dass Lohnabhängige
im Sinne einer Analyse der kapitalistischen Produktionsweise
abhängige Variablen (also Objekt) der Akkumulation von Reichtum
sind. Das ist eben der Zweck dieser Produktionsweise. Nur kommt doch
dieser Zweck nicht mir nichts dir nichts in die Welt. Es ist doch
schon so, dass es es Menschen gibt,

die an diesem Zweck ihren Nutzen haben
und ihn nach allen Kräften befördern, zum Beispiel indem sie
staatliche Sparmaßnahmen durchsetzen damit einerseits
(Finanzkapital) das Kreditevergeben wieder auf sicheren Füßen
steht, und anderseits (Staat) Kredite auch wieder kräftig fließen.

Genauso soll es ja Menschen geben,
denen klar ist, dass sie von dieser Produktionsweise nicht mehr zu
erwarten haben, als ein unsicheres Leben, einen geringen Lohn und
Schwielen an den Händen, und aus diesem Grund einiges dafür tun,
dass die Scheisse aufhört. Dass deren Leidensgenossen, von denen
diese Leute annehmen, die gründliche Umwälzung der Verhältnisse
wäre auch in ihrem Interesse, die Mittel ihrer Zwecke (ein
genussreiches Leben) in ziemlig systemkonformen Spielräumen
entdecken (Lohnarbeit, Sozialstaat), ist zwar ein ideologischer
Fehler, dem sie aufsitzen, heißt aber noch lange nicht, dass sie
pure Objekte der gesellschaftlichen Entwicklung wären. Ohne ständige
Gegenwehr gegen die Versuche von Kapitalseite – wie systemimmanent
diese auch immer sein mögen – sähe die Welt auch nochmal anders
aus.

Womit man es zu tun hat in dieser
Gesellschaft sind Interessensunterschiede in Bezug auf diese
eigentümliche Produktionsweise, die sich bei näherer Betrachtung
sehr grundsätzlich ausnehemen, so dass es durchaus angebracht ist
von Klassen zu sprechen.

Und so lange die Ohnmacht der einen –
ideologisch wie gewaltförmig – zu sehr bescheidenen Ergebnissen im
täglich stattfindenden Klassenkampf führt, während die anderen
über ihre Geldmacht alle Mittel der Gesellschaft für ihre Zwecke
mobilisieren können (Arbeitskraft,

Politik, Medien, etc.), sieht es,
oberflächlich betrachtet, tatsächlich so aus, als gehorchen sie
alle als Objekte einem subjektlosen Prozess.

 

 

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