Wie man Neonazis kritisieren sollte und wie besser nicht. Zum Elend der Kritik am (Neo-)Faschismus

Vortrag und Diskussion mit Freerk Huisken veranstaltet durch das Bildungskollektiv Chemnitz
Montag 26.11. | 19:30 | Lokomov, Augustusburger Str. 102

Demokraten aus Politik und Öffentlichkeit können Rechtsextremismus und (Neo-)Faschismus nicht kritisieren. Wie sollten sie auch den Nationalismus deutscher Bürger angreifen, wenn diese patriotische Gesinnung für sie doch eine zentrale Produktivkraft ihrer demokratischen Herrschaft darstellt. Dafür grenzen sie den (Neo-)Faschismus aus, kriminalisieren ihn und erörtern erneut das Parteienverbot. Sie veröffentlichen Steckbriefe von den Funktionären und enttarnen Neonazis an ihrer Kleidung, ihren Codes und ihrer Musik. Also ob Bürger nur wissen müssten, wie neue Faschisten aussehen und sich kleiden, um sich von ihnen abzuwenden. Man findet sie zudem ungebildet, dumm, dumpf und versoffen – viel zu sehr unter Niveau, als dass es ihre Parolen verdienten, als politisches Programm ernst genommen zu werden. Das rächt sich.
Mit Kritik lässt sich so etwas nicht verwechseln. Und die bei deutschen Bürgern verbreitete Ausländerfeindlichkeit wird dadurch nun wirklich nicht ausgeräumt. Umgekehrt, die wird von der hiesigen Ausländerpolitik angeleitet und benutzt: Wenn sie regelmäßig verkündet, dass „das Boot voll“ ist, wenn sie „Kinder statt Inder“ fordert, wenn sie zwischen „Ausländern, die uns nützen, und solchen, die uns ausnützen“, unterscheidet und Moslems des Terrorismus verdächtigt, dann bereitet demokratische Politik selbst das Fundament für rechtsextreme Gesinnung.
Mit der immer wieder beschworenen geistigen Auseinandersetzung mit alten und neuen Nazis hat das nichts zu tun; schon gar nichts trägt das zur Klärung der Frage bei, warum deutscher Patriotismus zu Morden an Ausländern führt, wie sie die „Zwickauer Nazi-Zelle“ verübt hat.
Auch die linke Antifa tut sich schwer mit der Kritik am Neo-Faschismus und Rechtsextremismus. Besonders dann, wenn neue Faschisten eine Kritik am Kapitalismus vortragen, fällt vielen Antifaschisten oft nur ein, dass sich hier „Wölfe“ mit „Schafspelzen“ verkleidet hätten. Das ist schlecht. Und wenn nach der Aufdeckung des NSU Teile der Antifa den neuen Antiterrorismus der Demokraten gegen Rechtsextremismus begrüßen, ihn für überfällig erklären, ebenfalls für ein NPD-Verbot plädieren und sich gar als die effektiveren Verfassungsschützer anbieten, weil sie ja nicht auf dem „rechten Auge blind“ wären, dann offenbaren sie sich einmal mehr als die Saubermänner der Nation, die die Demokratie von „braunen Flecken“ reinwaschen wollen.
Freek Huisken hatte von 1971 bis zu seiner Emeritierung 2006 die Professur für Politische Ökonomie des Ausbildungssektors an der Universität Bremen inne. Er hat zahlreiche Bücher zur Kritik der Pädagogik sowie zum Verhältnis von Demokratie und Rechtsextremismus bzw. Faschismus veröffentlicht. Zuletzt erschien von ihm “Der demokratische Schoß ist fruchtbar… Das Elend der Kritik am (Neo-)Faschismus” (VSA 2012). Huisken ist außerdem Autor bei der politischen Vierteljahreszeitschrift Gegenstandpunkt.

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