Weiche Wissenschaft

Da es zu viel amüsantes zu zitieren gäbe, hier eine Einleitung eines umfassenden Textes unseres beliebten Weichwissenschaftlers…

Die vollständige Version findet sich – hört, hört – beim Blog "Endstation rechts": 

 

"Eckhard Jesse: Die NPD und die Linke – Ein Vergleich zwischen einer harten und einer weichen Form des Extremismus

Wer einen Vergleich zwischen der NPD und der Linken in Betracht zieht, betritt vermintes Gelände. Ohne daß das Ergebnis abgewartet wird, ist der Soupçon in der Regel groß. Für viele aus Politik, Publizistik und Politikwissenschaft verbietet sich, aus methodischen wie aus normativen 
Gründen, eine derartige Gegenüberstellung. Sie gilt im besten Fall als
wenig weiterführend, im schlimmsten Fall als Verteufelung hehrer
antifaschistischer Prinzipien oder als eine Relativierung der
menschenverachtenden Politik von rechtsaußen.


Politischer Extremismus stellt den Gegenpol zum demokratischen
Verfassungsstaat dar. Er lehnt diesen ab, will ihn beseitigen, zumindest
beschädigen. Alle Einstellungen, Verhaltensweisen, Institutionen und
Ziele, die sich gegen die Demokratie richten, gelten als extremistisch.
Der Terminus Extremismus dient dabei als Oberbegriff für verschiedene
Extremismusvarianten. Rechts- und Linksextremismus sowie religiöser
Fundamentalismus sind bekanntermaßen die Hauptformen. Zu harten Formen
des Extremismus gesellen sich zunehmend weiche, also solche, die nur
einzelne Elemente des demokratischen Verfassungsstaates in Frage
stellen. Für den Schutz des demokratischen Verfassungsstaates ist die
Frage von entscheidender Bedeutung, ob die Parteien ihn bejahen oder ob
sie es nicht tun — aus welcher Richtung immer. Dieser Frage kann und
darf sich die Forschung nicht entziehen.

Bestimmungsmerkmale für harten und weichen Extremismus bei Parteien

Antidemokratische Parteien variieren nicht nur in ihrer Ausrichtung,
sondern auch und vor allem in ihrem Intensitätsgrad. Wie läßt sich nun
die meist nur grob skizzierte Unterscheidung harter und weicher
Extremismusvarianten, sofern dies überhaupt geschieht, analytisch
fruchtbar machen? Um der Mehrdimensionalität des Extremismusphänomens
Rechnung zu tragen, bieten sich die klassischen Untersuchungsmerkmale
der Parteienanalyse an – Ideologie, Organisation und Strategie. Die
folgenden Überlegungen beziehen sich dabei ausschließlich auf die Parteien.

Ideologie: Eine weltanschauliche Utopie der angestrebten
Gesellschaftsform stellt den Kern antidemokratischen Denkens dar. Harte
Extremismen lehnen den demokratischen Verfassungsstaat in toto ab und
streben (mehr oder weniger offen) eine Diktatur an. Weiche Extremismen
richten sich nur gegen bestimmte Bereiche demokratischer Verfaßtheit,
beispielsweise bürgerliche Freiheits- und Gleichheitsrechte, und laufen
damit auf eine Abschwächung der Elemente des demokratischen
Verfassungsstaates hinaus. Der zweite Aspekt betrifft die Frage, ob den
jeweiligen Gesellschaftsvorstellungen überhaupt eine konsistente
(Groß-)Ideologie zugrunde liegt (hart), oder ob nur einzelne
Ideologieelemente aus den historisch gewachsenen Weltanschauungen von
Nationalismus, Kommunismus und Klerikalismus übernommen werden (weich).
Während es heute harte Extremismen im ersten Sinne nach wie vor gibt,
ist vor dem Hintergrund einer breit verankerten gesellschaftlichen
Ablehnung des Nationalsozialismus und der Delegitimierung des
Kommunismus seit 1989/90 eine graduelle Deideologisierung
extremistischer Parteien zu beobachten, die dem klassischen
Extremismusbild nur bedingt entspricht. Wer auf einschlägige
Großideologien setzt, ist isoliert.

Strategie: Ein allgemeines Problem der Extremismusforschung besteht in
der Zuordnung jener Parteien, die sich auf den ersten Blick nicht
eindeutig als extremistisch einordnen lassen. Erschwert wird diese
Klassifizierung dadurch, daß extremistische Parteien — teils aus Angst
vor staatlichen Restriktionen, teils aus Pragmatismus bzw. Populismus
— ihre Position verschleiern. Weiche Extremismusformen halten sich
formal an die demokratischen Prinzipien. Harte Extremismen zielen
dagegen (mehr oder weniger offen) auf den "Systemwechsel",
instrumentalisieren die Demokratie. Sie geraten dadurch offensichtlich
in den Konflikt mit der demokratischen Rechtsordnung. Das Kriterium der
Gewaltbereitschaft ist für die Analyse extremistischer Parteien nicht
entscheidend. Anders sieht es bei der Frage nach Kooperationen mit
militanten oder gar gewaltbereiten Kräften aus: Extremistische Parteien
nutzen solche Szenen häufig als Basis, Unterstützung und Rückzugsraum
ihrer außerparlamentarischen Aktivitäten. Während beim weichen
Extremismus eine klare Distanzierung von militanten oder gewalttätigen
Gruppen vorliegen muß, fehlt es den harten Extremismusformationen daran;
sie suchen bisweilen sogar Zusammenarbeit.

Organisation: In extremistischen Parteien sind häufig unterschiedliche
Strömungen beheimatet, um ein möglichst breites Spektrum potentieller
Sympathisanten zu erreichen und so den eigenen politischen Einfluß
steigern zu können. Als Kriterium für die Einschätzung kann daher
gefragt werden, ob die antidemokratische Gesinnung innerhalb der
jeweiligen Organisation eine Mehrheits- (harter Extremismus) oder
Minderheitenposition (weicher Extremismus) darstellt. Die
innerparteilichen Kräfteverhältnisse sind mitentscheidend für die
Zuordnungen als "hart" oder "weich" extremistisch. Besitzen die
Vertreter eines extremistischen Anspruchs organisationsintem eine
entscheidende Position? Ist das Machtzentrum im Kern antidemokratisch? (…)"

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