Antifaschistische Transparente, kritische Redebeiträge, laute Musik gegen das deutsche Identitätsbewusstsein, klare Ansagen gegen Ungleichwertigkeitsideologien und gegen das Dogma, dass wir beim zu verteidigenden Ende der Geschichte angelangt seien – Ein nicht zu übersehendes Bild, welches von circa 130 Demonstrationsteilnehmer_innen in Burgstädt am Samstag Nachmittag die ganze Stadt dominierte. Ein Bild, welches provokant, umstritten und doch für das sächsische Hinterland unverzichtbar ist.
Chaostage in Burgstädt…
Schon im Vorfeld hat das Motto „Konservatives Denken brechen – Provinzen alternativ gestalten“ sowie der Aufruf der Organisator_innen bei den Otto-Normal-Verbraucher_innen ein unangenehmes Gefühl ausgelöst, welches seine Ursache in der Kritik an den burgstädter Verhältnissen hat. Dieses Unangenehme Gefühl resultierte erwartungsgemäß in einer Formierung einer „Einheit der Mitte“ gegen den ach so bösen „Extremismus“.
Was jedoch für die meisten Protagonist_innen, welche sich unter einem „antiextremistischen Konsens“ zusammenfanden, unerwartend geschah: es waren keine brennenden Autos, verletzte Polizeibeamt_innen und ausgeplünderten Banken zu sehen. So wurde am 07.09.2011 in der Freien Presse Bürgermeister Lars Neumann zitiert, wo er davon sprach, dass „einige Bürger […] Krawalle und Sachbeschädigungen befürchten.“ Im selbem Atemzug spricht er davon, dass er am liebsten diese Demonstration verboten hätte, er aber dafür „keine Handhabe“ gehabt hat. Im nächsten Absatz jedoch spricht er davon, dass durch das Gewaltmonopol des Staates die Lage ruhig gehalten werden wird. Bestätigung in dieser Behauptung bekommt Neumann vom Polizeisprecher Frank Fischer: „Wir sorgen dafür, dass die Demonstration friedlich verläuft.“[1]
Diese Argumentation ist mehr als nur aus der Luft gegriffen. Zum einen wird behauptet, dass „Linke“ in der Regel gewalttätig sind. Diese „Gewalttäter_innen“ können aber nur mit Hilfe des zu bewahrenden Staates zurückgehalten und eingedämmt werden. Damit hat der Bürgermeister schon vor der Demostration behauptet, dass die Repressalien gegen die Demonstrant_innen eine Notwendigkeit waren und nur diese dazu geführt haben, dass die Demonstration friedlich verlief. Es wird eine Argumentation geliefert, die lediglich auf einer irrationalen Behauptung basiert und damit weder wiederleg noch belegbar ist. Interessant ist dabei, dass egal was auch immer auf dieser Demonstration passierte, „die Linken“ werden als Krawalltourist_innen betrachtet. Dementsprechend hegt der Bürgermeister von Burgstädt Ressentiments gegen alles „Linke“, und ist damit selbst ein Reproduzent von menschenverachtenden Dogmas.
„Das sind alles Tiere“
Was dem Oberhaupt der Stadtverwaltung ein besonders großer Dorn im Auge ist: Kritik an der Feuerwehr, des Stadtrates und der Stadtverwaltung. Diese sei für ihn „alamierend“.[1]
Warum Kritik alamierend ist wird jedoch nicht erklärt. So wird im Aufruf der Demonstation davon gesprochen, dass der Oberkamerad der burgstädter Feuerwehr grundlos versuchte die Jugendlichen in dem alternativen Hausprojekt „LW1“ durch ein nicht-vorhandenes Feuer der illegalen Müllverbrennung anzuzeigen. Als er und mehrere Polizeibeamt_innen vor Ort eintrafen, sprach er davon, dass die „Zecken“ nur stören würden und die antifaschistisch aktiven Jugendlichen „Tiere“ seien. Weiter wird im Aufruf das „Bündnis gegen Extremismus in Burgstädt“ kritisiert, da diese nicht das Naziproblem erkennen wollen, sondern immer nur von einem „Extremismusproblem“ sprechen.[2] Inwiefern ist es alamierend, wenn der Leiter der örtlichen Feuerwehr antisemitische Schimpfwörter („Zecke“) gegen Menschen mit emanzipatorischem Anspruch benutzt? Inwiefern ist es alamierend, wenn kritisiert wird, dass Nazigewalt mittels des Extremismusbegriffes relativiert und antifaschistisches Engagement krimminalisiert wird?
Doch nicht nur der Bürgermeister, nein sogar die Fraktion der Linken des Stadtrates von Burgstädt muss ihren Senf dazu geben. So wird behauptet, dass wenn die Demonstration nur gegen Rechts ginge, würde die Linke unterstützen. Doch Angriffe gegen die Stadt und dessen Bewohner_innen seien nicht vertretbar. Dieses Verhalten der lokalen Linken in Burgstädt ist nicht hinnehmbar. Seit Jahren kritisieren breite Teile der Linken nicht nur Landes- sondern auch Bundesweit den Extremismusbegriff. Dagegen Reproduziert die Linke in Burgstädt den Extremismusbegriff: Engagement gegen Rechts sei positiv – damit wird der Links-Rechts-Battle befürwortet – aber ein Engagement gegen die menschenverachtenden Einstellungen in der gesamten Bevölkerung sind nicht kritisierbar – die selbsterkorene Mitte der Gesellschaft die den Status Quo bewahren will sind die Guten.
Das Problem des vorherrschenden Nazismus ist kein „Randphänomen“ der Gesellschaft, sondern ein Problem der momentanen Vergesellschaftung selbst. Nazis sind nicht vom Mond heruntergefallen, und wachsen auch nicht auf Bäumen. Nazis sind Produkte des Kapitalzyklus und der daraus resultierenden Fetischierungsprozesse.
Weiter schreibt der Stadtverband der Partei Die Linke und die Stadtratsfraktion der Linken in ihrer Pressemitteilung, dass die Angriffe auf die Stadtverwaltung unberechtigt sind.[4] Dagegen ist durch die bisherigen Erfahrungen von antifaschistischen Gruppen in der sächsischen Provinz einleuchtend, dass eine konservative Stadtverwaltung für eine emanzipatorische Politik meistens stört. Als Beispiele wären Mittweida (Wo der Bürgermeister eine Art „Gegenkundgebung“ zu einer antifaschistischen Demonstration organisierte), Limbach-Oberfrohna (Wo die Stadtverwaltung seit Jahren der Sozialen und Politischen Bildungsvereinigung Limbach-Oberfrohna e.V. einen Stein nach den anderen in den Weg legt) oder Geithain (Wo die Stadtverwaltung nazistischen organisationen einen Infostand auf dem lokalen Stadtfest genehmigten) zu nennen. Um aktiven Antifaschismus im sächsischem Hinterland zu betreiben, ist Kritik an der örtlichen Verwaltung eine Notwendigkeit.
Kritik wird immernoch nicht begriffen
So wie die Freie Presse vor der Demonstration einen Artikel veröffentlichte, so auch nach der Demonstration, diesmal mit der Überschrift „130 Jugendliche demonstrieren während eines fast dreistündigen Marschs durch Burgstädt gegen Konservatismus und Rechtsextremismus“.[3] Schon an der Überschrift ist zu erkennen, dass die Kritik der Organisator_innen nicht verstanden wurde. So demonstrierten die Teilnehmer_innen nicht gegen Rechtsextremismus, sondern gegen Nazismus. Auf der Demonstration wurde mit mehreren Redebeiträgen der Extremismusbegriff und dessen Vertreter_innen wie Eckhard Jesse, Uwe Backes, Markus Ulbig und Kristina Schröder mehrfach kritisiert. Dass dieser Terminus der Demonstration immernoch nicht erkannt wurde, zeugt von der Sturheit der meisten der Menschheit emanzipatorische Ansätze außerhalb von Ideologien verstehen zu wollen. So wurde beim Redebeitrag der Roten Hochschulgruppe aus Chemnitz an alle Teilnehmer_innen appeliert Begrifflichkeiten wie „Links“, „Rechts“, „Mitte“ und „Extremismus“ ganz zu verzichten.
Weiter heißt es im Text „Wer auf den Parkplatz gelangen will, muss seinen Ausweis zeigen, den Taschen-Inhalt vorweisen und sich gefallen lassen, dass das Auto durchsucht wird.“[3] Diese Schilderungen, die vor Ort tatsächliche Praxis waren, zeigen die nicht gerechtfertigte Gefahrenprognose der Versammlungsbehörde auf. Diese Repressalien wurden nur deshalb durchgeführt, um die Demonstrationsteilnehmer_innen zu schikanieren beziehungsweise um das Bild der_des „gewaltbereiten Linken“ bei vorbeilaufenden Passant_innen zu erzeugen. Zudem wird davon geschrieben, dass Demonstrationsteilnehmer_innen „aus Mittweida, Chemnitz, Limbach-Oberfrohna und kleineren Orten“[3] kamen. Aus Burgstädt selbst sei kaum Jemand da. Mit dieser nicht-zutreffenden Beschreibung wird suggeriert, dass die „Störenfriede“ von Außerhalb kommen und Burgstädt zum politischen Kampfplatz erklärt wird. Diese Taktik der Schuldabweisung von der burgstädter Bevölkerung ist nur zu gut aus anderen kleinen Städten bekannt. Im nahe gelegenen Limbach-Oberfrohna behauptete die Stadtverwaltung immerwieder, dass die aktiven Nazis nicht aus der Stadt selbst, sondern aus der Region kommen. Jede Kleinstadt Sachsens behauptet, die „Extremist_innen“ kommen wo anders her. So wird mit dieser Argumentation das Verständnis, politischer Extremismus sei nur ein Randphänomen, nur noch mehr verstärkt.
Nur die Arbeit zählt
Weiter wird in der Freien Presse ein vorbeilaufender Passant zitiert: „Da werden Steuergelder verschwendet. Rechts, links – die sollen doch alle arbeiten gehen“[3]. Diese Person sagt genau das aus, was viele Burgstädter_innen denken. Doch was ist daran kritikwürdig?
Zum einem sagt die Person aus, dass hier nur ein Kampf zwischen Links und Rechts sei und begibt sich damit wieder in das Extremismuskonzept. Die Person sagt zum anderen aus, dass durch die Demonstration Steuergelder verschwendet werden. Daran sei schlimm, dass die Steuergelder von der working class erarbeitet wurden und deshalb diese von den Demonstrant_innen ausgebeutet werden würde. Deshalb sollen die Demonstrant_innen lieber arbeiten, anstatt demonstrieren gehen. Dass sich hinter diesem so banal klingenden Satz eine tiefgreifendere Ideologie steckt, muss aufgezeigt werden. So ist eine Errungenschaft der bürgerlichen Demokratie das Recht auf die freie Meinungsäußerung. Um die Rechte der Bürger_innen zu gewährleisten werden Steuergelder benötigt, dabei ist es egal, um welches Recht es sich handelt.
Wer also das Argument „Da gehen Steuergelder weg, die sollen lieber arbeiten“ anbringt, behauptet quasi, dass die demokratischen Errungenschaften sinnlos seien und der Staat das Geld lieber zum Vorankommen der eigenen Nation einsetzen soll. Damit die Nation mehr vorankommt, muss noch mehr gearbeitet werden, selbst Samstags Nachmittags in Burgstädt. Hinzu kommt, dass die Menschen, die sich für eine emanzipatorische Gesellschaft einsetzen als Schmarotzer_innen betrachtet werden – diese gehen ja nicht arbeiten. Dass damit der wahre Kern des Kapitalismus verschleiert wird, nämlich die Ausbeutung der Arbeiterklasse durch den Mehrwert, sollte offensichtlich sein. Es werden für die schlechten Zustände in Deutschland „Schuldige“ gesucht und gefunden – der_die „Linksextremist_in“ wird zum Teil des raffenden Kapitals innerhalb des strukturellem Antisemitismus, praktiziert von der „bürgerlichen Mitte der Gesellschaft“. Worauf sich der strukturelle Antisemitismus des Passanten weitergehend projeziert kann nur auf Vermutungen basieren.
Antifaschistisches Engagement kann und darf sich nicht nur gegen die vermeintlichen Nazis richten, denn menschenverachtende Einstellungen sind in der gesamten Bevölkerung zu finden. Damit ist eine Kritik an der Stadtverwaltung von Burgstädt und dessen Vertreter_innen eine Notwendigkeit.
[1] http://www.freiepresse.de/LOKALES/CHEMNITZ/Linke-versammeln-sich-in-Burgstaedt-artikel7753005.php , am 12.09.2011.
[2] http://burgstaedt.blogsport.de/, am 12.09.2011
[3] http://www.freiepresse.de/LOKALES/CHEMNITZ/Polizei-Demo-verlaeuft-friedlich-artikel7756491.php, am 13.09.2011
[4] Freie Presse, Seite 10, am 10.09.2011
Guter Text.
Im übrigen wär der passant der die steuergeldaussage traf ein Nazi aus Burgstädt