Da auch die RHG sich dem zivilgesellschaftlichen Engagement gegen Rassismus, Antisemtismus und Neonazismus nicht verweigern kann und will, wurde 2010 ein Antrag beim Lokalen Aktionsplan der Stadt Chemnitz gestellt und nach Prüfung und Diskussion auch bewilligt.
Folgend einige Ausführungen zum Projekt "Extremistisch geht nicht!"
Ausgangslage
Neben Bundes- und Landesprogrammen, zugehörigen oder selbstinitierten Lokalen Aktionsplänen werden auch bei der Gründung zivilgesellschaftlicher Initiativen und Netzwerke usw. häufig Begriffe wie Extremismus oder extremistisch verwendet. Die Bundesprogramme initiiert von der Rot-Grünen Bundesregierung, welche als erste Rassismus, Antisemitismus und Neonazismus als gesamtdeutsches und gesamtgesellschaftliches Problem anerkannten, wurden in geänderter Struktur auch von der großen Koalition weitergeführt. Während diese die demokratiefördernde Arbeit noch explizit gegen Rechtsextremismus ausgerichtet wissen wollte, ist im Koalitionsvertrag der neuen Schwarz-Gelben Regierungskoalition nur noch der allgemeine Begriff Extremismus zu finden. Welche inhaltliche Modifikation hieraus folgen, muss abgewartet werden.
Deutlich wird allerdings, dass klar rechte Probleme in der Gesellschaft – u.a. mit ca. 150 Toten seit 1990 – hier im Rahmen eines Extremismusschemas undeutlich gemacht und in einen diffusen, allgemeingültigen Kriminalitätsrahmen gesetzt werden. Mit den aktuellen Aussagen der neuen Familienministerin Frau Schröder zur Regelüberprüfung aller Initiativen, welche sich gegen rechts engagieren, durch den Verfassungschutz, um das Problem des „Linksextremismus“ ebenfalls zu bearbeiten, unterstreicht diese nur frühere Verlautbarungen, in welchen sie versuchte, rechte und linke Politik gleichzusetzen und Neonazismus damit gewollt oder ungewollt verharmloste.
Das Land Nordrhein-Westfalen ist hier in seiner antiextremistischen Aufklärungsarbeit bereits einige Schritte weiter und bestärkt die allgemeine Extremismusformel und deren scheinbar naheliegende Dreiteilung in Rechts-, Links- und Ausländerextremismus mit der Herausgabe der Comicreihe „Andy“. Der rassistische Begriff „Ausländerextremismus“, welcher ganz plump eine irgendwie gesellschaftsfeindliche Haltung per Herkunft suggeriert, wird nicht nur hier durch den Begriff des Islamismus ersetzt. Eine kritische Auseinandersetzung mit nicht demokratischen Tendenzen, welche in Verbindung mit religiös-islamischen Gruppen gebracht werden können, ist durchaus notwendig. Fraglich bleibt, ob eine Einordnung in die Extremismusschemata hierfür taugt.
Der Begriff des Rechtsextremismus kann hierbei noch am Weitesten durch viele verschiedene Arbeiten als wissenschaftlich untersetzt gelten. Linksextremismus bleibt derweil diffus. Andy auch im gleichnahmigen Comis hauptsächlich Probleme mit Gewalt und Autonomen „beider Seiten“. Die theoretischen Ausführungen am Ende des Comics zeugen eher von biederen Mutmaßungen als von jugendgemäßen Erklärungen politischer Konzepte und Theorien.
Die Comicreihe „Andy“ zeigt das es bei der Verwendung des Extremismusbegriffs nicht um eine Auseinandersetzung mit menschenverachtenden Einstellungen in der Gesellschaft geht, sondern um eine Verschleierung von Tatsachen bis hin zu einer Kriminalisierung politisch aktiver Menschen.
Selbst bekennenden Extremismusforschern wie Eckhardt Jesse und Uwe Backes ist bekannt, dass das ihr vertretenes normatives Modell durchaus politisch „mißbraucht“ werden kann. Sie erkennen selbst, dass innerhalb politischer Grabenkämpfe die Definition von Extremismus immer abhängig von der gesellschaftlichen Deutungsmacht ist.
Das sich Jesse gern auch selbst in politische Debatten einbringt zeigen seine jüngsten Äußerungen zu den Blockaden zum 13.02.2010 von Dresden. Nicht die Existenz Europas größten Naziaufmarsches und dessen menschenverachtenden und offen geschichtsrevisionistischen Inhalte sind für ihn das Hauptproblem sondern der Wille tausender Menschen, diesen Aufmarsch zu verhindern. Das hier ein sehr eigenes Bild von Demokratie bestehen muss, wird offensichtlich, nimmt man die von Jesse mit mit entworfenen Thesen der Jungen Union Sachsens für mehr Patriotismus zur Kenntnis. Politische Theorie kann aber nur wissenschaftlich sein, wenn sie nicht als Ideengeber für die Parteipolitik gewisser Lager fungiert.
Aktuelle Beispiele politischer statt theoretischer Auseinandersetzung im antidemokratische Phänomene finden sich im nahe gelegenen Limbach-Oberfrohna, bei denen ein zivilgesellschaftliches Bündniss weder die NPD als per se undemokratisch anerkennt, noch eigene Relativierungen bei deren Gleichsetzung mit der Linkspartei versteht.
Dagegen stehen zahlreiche Studien u.a. von Heitmeyer (Deutsche Zustände) oder Decker und Brähler (Vom Rand zur Mitte u.a.), welche bereits durch ihre Ergebnisse zu rechten Einstellungen in der Gesellschaft die Schlussfolgerungen nahe legen, dass Extremismustheorien zu gesellschaftlichen Realitäten wenig beitragen können. Dem will das im Folgenden beschrieben Projekt nachgehen.
Projektziele
Das Projekt strebt eine intensive Auseinandersetzung mit extremismustheoretischen Gesellschaftskonzepten an. Mit der Veranstaltungsreihe möchte die Rote Hochschulgruppe an ihre Veranstaltung vom 16.04.2009 an der TU Chemnitz anknüpfen und die Diskurse und die Verwendung des Begriffs „Extremismus“ weiterführen und vertiefen. Die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Thema ist wichtig um die Theorien von Extremismusforschern wie Jesse und Backes zu hinterfragen. Dabei soll es nicht um eine politische Diffamierung bestimmter wissensschaftlicher Positionen gehen, sondern um eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit diesen und damit das Aufzeigen von Möglichkeiten, welche Begriffe und Inhalte gerade in der Auseinandersetzung mit demokratiefeindlichen, menschenverachtendem Denken und Handeln adäquater verwendet bzw. aufgegriffen werden sollten.
Die Veranstaltungen richten sich an Studierende und Menschen die sich antirassistischen, demokratiefördernden u.ä. Initiativen und Projekten engagieren und sollen die Teilnehmenden für eindeutige, konkrete Sprache und Inhalte in der politischen und wissenschaftlichen Arbeit sensibilisieren. Es soll dabei ebenso der Frage nachgegangen werden, wie eine neue eingängige Theorie ausgestaltet sein könnte. Ebenso ist es uns wichtig auch engagierten BürgerInnen aus dem nicht-wissenschaftlichen Bereich neue sinnvolle, theoretische Modell vorzustellen, die in der Auseinandersetzung mit antidemokratischen Bestrebungen im Gemeinwesen dienlich sein können.
Unter der Mitwirkung der ReferentInnen wird eine Projektdokumentation entstehen, welche für die Teilnehmenden der Veranstaltung sowie unter Anfrage für Studierende bereitgestellt wird.
Da wir Kontakte zu verschiedenen Einrichtungen der Stadt haben, welche für Veranstaltungen genutzt werden sollen, kann hiermit ebenfalls ein Beitrag zur Vernetzung dieser sowie der VeranstaltungsteilnehmerInnen geleistet werden.
Gleichzeitig besteht die Möglichkeit mit der Reihe eine inhaltliche Auseinandersetzung im Rahmen der Fortschreibung des Lokalen Aktionsplans mit zu initiieren und voran zu bringen.
Mit der Aktivierung u.a. von weiteren Studierenden werden damit neue Ressourcen für das Engagement im Bereich kommunaler Politik erschlossen.
Maßnahmeplan
Bis zum Jahresende sollen verschiedene Vortragsveranstaltungen zu o.g. Thematik stattfinden. Weitere Ankündigungen folgen.