Wenn bunte Gestalten sich treffen

Ein Bund fürs LebenEine Interessante Frage für alle Quizbegeisterten: Was haben Heinrich Himmler (Reichsführer-SS und Chef der Deutschen Polizei NSDAP), Peter Raumsauer (Bundesverkehrsminister CDU), Patrick Kurth (Mitglied im Auswärtigen Ausschuss FDP) und Jürgen Gansel (MdL Sachsen NPD) gemeinsam? Nein, sie waren nicht im Taubenzüchterverein, sondern Mitglieder in Burschenschaften, die dem Dachverband Deutsche Burschenschaft angehören.[1]
Bereits im Vorfeld des Bundesburschentages am kommenden Wochenende in Eisennach sorgt die interne Debatte um die Wiedereinführung des „Arierparagraphen“ für Empörung. Dieser wurde erstmals 1920 eingeführt und blieb bis 1945 im Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbund erhalten.[2]

Ein Bund fürs Leben?

Die deutsche Abstammung ist nur ein Kriterium für den Beitritt in eine Burschenschaft. Weiß, männlich, heterosexuell, wehrdienstleistend und bunte Kostüme tragend ist ein Muss. Wenn Mann das gefällt, dann ist ein „erfülltes Leben“ voller entwürdigender Aufnahmerituale, einer potenziellen Lebererkrankung aufgrund des fortgeschrittenen Alkoholismus garantiert (aber macht ja nix, es gibt ja immer in jedem Verbindungshaus, was etwas auf sich hält, den sogenannten Papst – das Kotzbecken) und das Schwelgen in deutschen/nationalsozialistischen Vorstellungen über Volk, Vaterland, Frauen und Juden möglich.[3]

Innerhalb dieser merkwürdigen Kreise ist aber auch so einiges möglich. Viele schwören auf die enge Verbindung zwischen alten Herren und Studierenden, um sich streng im Sinne einer Elite gegenseitig mit Beziehungen unter die Arme zu greifen. Quer durch die Gesellschaft sind ehemalige Burschen in ranghohen Positionen. Denn obwohl sich FDP-Politiker immer wieder auf das Leistungsprinzip bei Stellenbesetzungen berufen, geht es in Wahrheit um die richtig getragene Verbindungsfarben.
Dieser Bund fürs Leben führt bei einigen Gemütern zu Identitätskrisen. Die Göttinger Initiative »Falsch verbunden« betreut via Sorgentelefon die fragilen Herrlichkeiten der sonst so männlich auftretenden, säbelschwingenden Burschen. Ein Informantionstand auf dem Burschentag wird es leider nicht geben, weil die Initiatoren des Tages mit einem zu großen Ansturm rechnen müssten. Für die, die sich bisher nicht Trauen, ist das Beratungstelefon Montags von 11 bis 12 Uhr unter der Nummer 0551/3922268 erreichbar.[4]

Wenn nun Mann im Bund ist, so muss sich Mann ab und zu auf die merkwürdigen Rituale des Männerbundes fürs Leben einlassen. Auf dem kommenden Fest am Wochenende in Thüringischen Nirgendwo in Eisennach, wird es neben den Rechenschaftberichten über die ausgegebenen Gelder, auch wieder Berichte über die Unterstützung von Deutschen in Ostpreußen geben und „stramme“ Burschen bei Fackelumzügen ganz im Sinne des Wartburgfestes. Nur zur Erinnerung: Mit Freude wurden 1817 französische, jüdische und sonstige, nicht als deutsch genug empfundene – also progressive – Bücher mit eben jenen Fackeln verbrannt. Wenn das nicht mal Traditionspflege ist.
Dass für so manchen Burschen der braune Morast doch etwas zu tief war, zeigte sich in der Abspaltung der Neuen Deutschen Burschenschaft. Diese ist zwar immer noch kein Hort der Emanzipation, allerdings hat sie ihr Gedankengut der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts angepasst. Dieser Teil will mit der Deutschen Burschenschaft nichts zu tun haben. Auch fühlen sich die Burschen als solches nicht mehr unbedingt akzeptiert. So kam bei einer internen Umfrage der Deutschen Burschenschaft heraus, dass 65% der Befragten ihre Mitgliedschaft nicht öffentlich zeigen wollen, da sie sonst negative Auswirkungen z.B. im Berufsleben befürchten.[5]

Sächsische Erfolgsgeschichten

Die aktuelle Diskussion über den „Arierparagrahen“ stellt dabei nicht unbedingt eine Neuheit dar. Interessant ist für sächsische Verhältnisse ist u.a. ein juristischer Gutachter der Deutschen Burschenschaft im Streit um deutsch oder nicht. Es handelt sich dabei um Hans Merkel, den ersten Direktor des sächsischen Landtags nach 1989. Dieser hatte bereits in seiner Dissertation von 1961 festgestellt, dass der Zwangsanschluss von Österreich an das Deutsche Reich 1938 völkerrechtlich eigentlich ganz in Ordnung war.[6] Er befindet sich damit in guter Gesellschaft, da im sächsischen Landtag auch andere reaktionäre alte Herren sitzen. Jürgen Gansel (MdL Sachsen NPD) und Arne Schimmer (MdL Sachsen NPD) berufen sich immer wieder auf ihre Herkunft aus der Burschenschaft “Dresdensia-Rugia” (Deutsche Burschenschaft)[7].
Im Chemnitzer Stadtrat sitzen Burschen. Martin Kohlmann (Pro Chemnitz), der zur Gründungszeit der penalen Burschenschaft Theodor Körner als alter Herr diente, sitzt heute neben seinem Fraktions- und Gesinnungskollege Benjamin Jahn Zschoke (Pro Chemnitz), der Gründungsmitglied der genannten Burschenschaft war. Aus der damaligen Schülerverbindung entstand auch die Blaue Narzisse, welche bis heute als „neu rechtes“ Schmierblatt publiziert wird.[8] [9]

Das Problem im fernen Thüringen ist also nicht nur auf einen deutschen Biertrinkerverein zu verkürzen, deshalb: Burschentag verhindern am 18.06.2011 in Eisennach. Weitere Information zur Demonstration unter gegenburschentage.blogsport.de.

Fussnoten

1 http://www.german-foreign-policy.com/en/fulltext/56313
2 http://www.spiegel.de/unispiegel/studium/0,1518,767788,00.html
3 http://jungle-world.com/artikel/2011/23/43352.html
4 http://jungle-world.com/artikel/2011/23/43354.html
5 http://linksunten.indymedia.org/de/node/41598
6 Vgl. 1
7 http://www.spiegel.de/unispiegel/studium/0,1518,449699,00.html
8 http://www.kulturbuero-sachsen.de/dokumente/14Burschen.pdf
9 http://bnkampagne.bn.ohost.de/intro.php

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