Es geht also neben „Hilfe unser Standort brennt“-Märschen doch noch etwas anderes in Zwickau und bietet entgegen der Überschrift vielleicht einen Grund, für ein letztes Mal…
25. November: Den Opfern der Nazigewalt würdig gedenken! Nazistrukturen offenlegen & bekämpfen! Deutscher Schuldabwehr widersprechen!
Am 11. November 2011 wurden zwei Nazis nach einem missglückten Banküberfall in Eisenach tot in ihrem Wohnmobil gefunden. Kurz darauf explodierte im Zwickauer Stadtteil Weißenborn eine Wohnung. Wie sich bald herausstellen sollte, war diese Wohnung jahrelang zentraler Knotenpunkt und Unterschlupf einer Nazi-Terrorzelle, die sich selbst als „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) bezeichnet. Die weiteren Untersuchungen ergaben, dass die Gruppierung in den vergangenen elf Jahren mutmaßlich zehn Morde und mehrere Anschläge verübt hatte.
Der Staat soll’s richten
Die mediale Empörung über diese Verbrechen kennt keine Grenzen. Wie konnte das passieren? Wer trägt die Schuld? Die Mehrzahl der Medien sieht im Versagen des Verfassungsschutzes die zentrale Ursache. In deutscher Tradition richtet sich die Anklage an die staatliche Autorität, schließlich haben der Staat und seine Organe für Ordnung in diesem Land zu sorgen. Sofern ihm dies nicht gelingt, ist er zu schwach und muss mit weiteren Kompetenzen ausgestattet werden. Mit dieser Erklärung können sich die Deutschen entspannt zurücklehnen. Nur in Zwickau ist es in den vergangenen beiden Wochen nicht mehr ganz so gemütlich. Die bundesweiten Medien haben die Nazi-Terroristen zur »Zwickauer Zelle« getauft und das passt den Würdenträgern in dieser Stadt nun überhaupt nicht.
„Mit Zwickau hat das Ganze nichts zu tun!“
So erklärt die Bundestagsabgeordnete aus Zwickau Sabine Zimmermann in der »Freien Presse« vom 21. November: „Mit Zwickau hat das Ganze nichts zu tun!“ Diese Aussage bildet den Auftakt für eine umfassende Schuldabwehr, wie sie nur aus dem Land der Aufarbeitungsweltmeister kommen kann. In gleichem Artikel wird sich darüber beschwert, dass sich Zwickauer in der ganzen Welt nun für die Taten der zufällig in die Stadt gekommenen Nazis rechtfertigen müssen. Von verheerenden wirtschaftlichen Folgen ist die Rede. Doch die Stadtoberen wollen sich nun gegen den drohenden Imageschaden zur Wehr setzen. Auch die Oberbürgermeisterin der Stadt Zwickau Pia Findeiß ist nun krampfhaft bemüht das Image ihrer Stadt wieder aufzupolieren.
Betroffenheit soll Image retten
Dabei kam den beiden eine an ekelerregender Raffinesse kaum zu überbietende Idee. Knapp zwei Wochen nach Bekanntwerden der »Zwickauer Zelle« wurde den Medien ein »Appell für Demokratie und Toleranz« zugespielt. Dieser Betroffenheitsappell – bestehend aus sieben Sätzen – will der Öffentlichkeit nun eine glatte Lüge auftischen, nämlich „dass Zwickau keine Heimstätte rechtsextremen Terrors ist und dem braunen Gedankengut eine klare Absage erteilt“. Das Gegenteil ist der Fall! Als wäre das nicht schon genug der heuchlerischen Anteilnahme, werden die Morde der »Zwickauer Zelle« noch relativiert, indem darin auf die im vereinigten Deutschland „über 130 durch rechte Gewalt zu Tode gekommenen Menschen“ verwiesen wird.
Zwickau is in Germany
Um es kurz zu machen: Zwickau ist für Nazis seit vielen Jahren eine ausgezeichnete Adresse. Es existiert eine umfangreiche nazistische Erlebniswelt aus Klamotten- und Tatooläden, aus Kampfsportveranstaltungen und Konzerten mit einschlägigen Nazi-Bands. Eine ehemalige Beraterin von Helmut Kohl hat der NPD ein Bürgerbüro vermietet und auf dem diesjährigen Stadtfest durften organisierte Nazis mehrere Punker verprügeln, ohne dass es der Lokalzeitung auch nur eine Randbemerkung wert war. Die Stadt hat sich einen Papiertiger namens »Bündnis für Demokratie und Toleranz« geschaffen, der zwar eine kommunale Einrichtung vor dem finanziellen Kollaps bewahrt, aber anlässlich einer Demonstration von Nazis zum Wegsehen aufruft. Kein Mensch in dieser Stadt widerspricht diesen Zuständen! Wer sich dennoch gegen Nazis stellt, gilt als bedauernswerter, paranoider Spinner oder linksextremistischer Nestbeschmutzer. Folgerichtig wird eine Gruppe Jugendlicher, die der ignoranten Alltagskultur ein »Alternatives Jugendzentrum« entgegensetzen möchte, von der Oberbürgermeisterin zur kriminellen Vereinigung erklärt. Diese Aufzählung ließe sich problemlos fortführen. So steht es also um die Stadt, die mit der »Zwickauer Zelle« angeblich nichts zu tun hat.
Nie wieder Zwickau!
Nicht zuletzt mit dem »Zwickauer Appell« wird exemplarisch vorgeführt, dass Teile Deutschlands von demokratischen Mindeststandards abgekoppelt sind! Diesem widerwärtigem Lehrbeispiel deutscher Schuldabwehr muss von Seiten emanzipatorischer Überbleibsel deutlich widersprochen werden! Am 25. November findet um 18:00 Uhr der sogenannte »Marsch der Anständigen« in Zwickau statt. Wir rufen zu einer kritischen Teilnahme auf und treten für ein würdiges Gedenken an die Opfer der »Zwickauer Zelle« ein.
Wir fordern eine öffentliche Auseinandersetzung mit alltäglicher Diskriminierung und nationalsozialistischer Ideologie! Nazistrukturen offenlegen und bekämpfen! Nie wieder Deutschland!
Weitere Infos unter AAZ